„La deutsche Vita“ – Deutschland aus der Sicht einer Italienerin

 

Wismar: Der Mältzhauskeller in der Mecklenburger Straße war bis auf den letzten Platz besetzt, als am 19. Oktober 2005 die Italienerin Antonella Romeo aus ihrem Buch „La deutsche vita“ vorlas. Gerne kam die Autorin der Einladung der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Wismar nach, um heiter, witzig und ebenso nachdenklich über ihre Eindrücke als Italienerin in Deutschland zu berichten.

Die fast 100 Zuhörer folgten gebannt Antonella Romeos spritzigem Vortrag. Mit schier umwerfenden Charme berichtete sie über die scheinbar unlösbare Problematik, ihrer Familie beizubringen, sie sei in einen zwei Meter großen, hellhäutigen Deutschen verliebt. Aber bitte keine Sorge, die Geschichte geht gut, das bewiesen die beiden kleinen Töchter der Autorin, die ihrer Großmutter Jahre später das Wort „Kartoffel“ beizubringen versuchten. Und überhaupt, die Pointen sprudelten fast pausenlos auf das begeisterte Publikum. Da ging es um die Gemütlichkeit und um die deutsche Kerzensucht, denn Kerzen kennt der Italiener allenfalls als Grab- oder Kirchenschmuck.

Es ging um Picknick am deutschen Nacktbadestrand und fragwürdige Nachbarschaften in norddeutschen Vorstadtsilos. Und vor allen Dingen ging es um die Bedeutung und den vielfältigsten Einsatz von Eieruhren nicht nur beim Kochen, sondern auch bei der Einteilung des Tagesablaufes.

Natürlich gab es Nachdenklicheres, als Antonella Romeo über die geschichtliche Vergangenheit beider Länder berichtete. Zur großen Überraschung holte sie auch ihre Gitarre hervor und sang zwei Lieder: eines auf plattdeutsch und eines auf Italienisch. Letzteres der Trauergesang eines Bauern über den Tod seines Esels, eine Trauer, die ihn mehr packte, als der Tod seiner Frau. Mitveranstalter Volker Stein von der Buchhandlung Weiland wurden im Anschluss die Bücher Antonella Romeos förmlich aus den Händen gerissen. „Von den vielen Lesungen, die ich schon veranstaltet habe, war dies mit Sicherheit ein Höhepunkt. Und überhaupt, ich bin vom Mältzhauskeller derart begeistert, dass ich hier auch weitere Lesungen durchführen will“, so Volker Stein von Weiland.

Über das Buch:

Groß und blass, bunte Shorts und nackte Füße in offenen Sandalen: Der erste deutsche Mann, den Antonella Romeo kennen lernte, entsprach ganz dem Klischee.

Die Liebe führte die junge Italienerin 1990 nach Deutschland. Viel Befremdendes erlebte sie hier: Sie wunderte sich über das scheue Werbungsverhalten der deutschen Männer, die strenge Gehorsamkeit gegenüber dem roten Männchen in der Ampel, den zwanghaften Hang zur Ordnung und die deutsche Gemütlichkeit mit der Neigung zu unkontrollierbaren Zechgelagen. Hier lernte sie auch, dass jedes Problem eine Lösung hat und jede Handlung ein Ziel.

Und daher musste die Journalistin, die auch regelmäßig für die „Zeit“ oder den „Spiegel“ recherchierte, ihre Erlebnisse in einem Buch zusammenfassen. Aber ihr Roman „La deutsche Vita“ ist nicht nur ein augenzwinkernder Blick auf die speziellen Eigenheiten der Deutschen aus der Perspektive einer Fremden. Es ist auch ein ernstes, sehr persönliches Buch über die Beziehung zwischen Italien und Deutschland. Man erhält Eindrücke, über ein Land, das die Autorin beeindruckt und berührt, „ein ernstes, von der eigenen Geschichte gequältes Land“, empfindet Antonella Romeo aufrichtig. Mit dem frischen und sympathischen Blick einer Ausländerin und einem „mitfühlenden Herzen“ setzt sie der Gesellschaft einen Spiegel vor.

Aus ihren Erfahrungen als Italienerin in Deutschland, erfährt der Leser, wie die Deutschen wirklich sind. Und man kann eine Menge lernen, sowohl über die eigene als auch über die Italienische Kultur. „Wenn ich sage, dass ich aus Italien komme, entfährt den Deutschen mindestens der Seufzer: Oh, wie wunderschön!“, berichtet Antonella Romeo über die Begeisterung für ihr Heimatland, dass die meisten mit guter Küche, leckerem Eis und netten Menschen assoziieren. Deutschland hingegeben bekommt schlechte Noten im europäischen Ausland: „Wie oft musste ich dieses Land verteidigen!“, schreibt die gebürtige Turinerin. „Manche italienische Kollegen waren sehr enttäuscht, als sie hörten, dass ich in Deutschland nicht leide. Vor allem aber musste ich Deutschland vor den Deutschen in Schutz nehmen“, erklärt die Autorin auch ihre Motivation zum Schreiben.

Und noch mehr bekennt sie sich, die mit Mann und zwei Töchtern in Hamburg lebt, zu Deutschland. Gerade, weil sie keine Deutsche ist, beobachtet sie Deutschland besonders genau - und sie findet z.B., dass die Deutschen viel zu wenig Selbstbewusstsein hätten. Vielleicht eine italienische Perspektive, die den Deutschen hilft, sich selbst besser zu verstehen.