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Um
„Italienische und französische Elemente in der Backsteingotik
Norddeutschlands und Skandinaviens“ zu ergründen, trafen sich am
Montagabend, 16. Juni 2003 Kulturbegeisterte in Wismars altehrwürdiger
St.-Georgen-Kirche. Eingeladen hatte die Deutsch-Italienische, die
Deutsch-Französische und die Deutsch-Schwedische Gesellschaft, um
zusammen mit dem Vortragenden Professor Gottfried Kiesow, dem
Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, durch die
Kulturgeschichte Europas zu wandeln. |
Auf
dieser sehr lebendigen Reise erfuhren die Gäste interessante Details zu
italienischen, französischen und englischen Elementen in der
Backsteingotik, beispielhaft demonstriert auch anhand der Wismarer
Kirchenbauten. Auch der schwedische Anteil an der Entwicklung der
Backsteinkirchen wurde in dem aufschlussreichen Vortrag bemerkt, ruhen
doch die beeindruckend großen Kirchenbauten häufig auf einem
Sockelfundament aus schwedischem Granit. Da das Bearbeiten von
Naturstein ein sehr mühsames und aufwendiges Verfahren darstellt, hat
man sich in der Mitte des 12. Jahrhunderts von italienischen
Ziegelbrennern abgeguckt, aus Ton und Sand Lehmziegel herzustellen, die
dann nach zweimonatiger Trocknung in einem Ofen zu hartem Stein gebrannt
wurden. Den Stolz der Wismarer Ziegelbrenner kann der aufmerksame
Kirchenbesucher vor allem am Turm von St.-Marien ablesen, denn viele der
Ziegelsteine tragen individuelle Stempelzeichen der Handwerker. Der
französische Einfluss geht auf die Errungenschaft einer neuen Raumform
des Hallenbaus mit drei gleich hohen Kirchenschiffen zurück. Auch die
dreischiffige St.-Georgen-Kirche, die mit ihrer außergewöhnlichen Silhouette zu den markantesten Wahrzeichen der Hansestadt
Wismar gehört, fußt auf einem Vorgängerbau der Hallenkirche, was im
Innenraum deutlich an den charakteristischen Kreuzpfeilern zu bemerken
ist. Um noch höher und steiler zu bauen, was eindrucksvoll an der
St.-Nikolai-Kirche, die mit einem 37 Meter hohen Mittelschiff zu den fünf
größten Kathedralen zählt, besann man sich aber wieder auf den
basilikalen Bau mit zwei niedrigeren Seitenschiffen. Englands Beitrag
zur nordischen Backsteinkultur bemerkte der gespannte Zuhörer mit einem
Blick zu den hohen Gewölben. Wie die vierteiligen Kreuzrippengewölbe
in der Wismarer St.-Georgen-Kirche entstammen auch einfache Gratgewölbe
bis hin zu komplizierten Formen von Sterngewölben englischen
Handwerkererfindungen.
Auf
Handel- und Pilgerwegen haben sich die europäischen Formen verbreitet
und schließlich die einzigartige nordische Backsteingotik entstehen
lassen. Zum Abschluss des
Vortrages hat Professor Gottfried Kiesow damit auch im Sinne des
Welterbegedanken an die gemeinsamen kulturellen Wurzeln in Europa
erinnert.
Bei
einem kleinen Umtrunk und einem köstlichen Büfett, dass von der Lübschen
Thorweide ausgerichtet wurde, klang der unterhaltsame und
aufschlussreiche Abend gemütlich aus.
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